Wie wir Coaching verstehen

von Rainer Molzahn


Wie wir Coaching verstehen

Es gibt tausend Spielarten des Coaching. Mindestens.

 

Non-direktive Beratung, Business-Coaching, suggestive Beeinflussung, NLP, systemisches Coaching, Coaching mit Hunden, die Führungskraft als Coach, spirituelles Coaching, Life-Coaching und viele mehr ...  Die Spannbreite der Ansätze reicht von einer vertrauenden "Hilfe zur Selbsthilfe" bis zu "Ich zeig dir jetzt mal, wie das geht".

 

Hier wollen wir mit Ihnen teilen, was wir unter Coaching verstehen.


Was Coaching nicht ist

Coaching ist keine Therapie

Wir wissen, dass hier viele psychologische Psychotherapeuten vielleicht protestieren würden, aber so ist es nun mal: Prinzipiell setzt Therapie eine Erkrankung voraus, und prinzipiell besteht ihr Ziel in Heilung (oder zumindest in ‚Besserung‘). Beides, Krankheit wie Heilung, interessiert uns im transformativen Coaching nicht.

 

Beide Begriffe entstammen natürlich der medizinischen Domäne, und wir wollen anerkennen, dass sie gegenüber dem Verständnis psychischer Probleme als Besessenheit oder Produkte magischer Beeinflussung einen historischen Fortschritt darstellen. Eigentlich sind sie aber aus unserer Sicht nur nützlich, wenn es darum geht, jemand den zeitweiligen Verlust oder die Wiedergewinnung der Arbeitsfähigkeit zu attestieren.

 

Wir gehen davon aus, dass der Bereich des menschlich ‚Normalen‘ ungeheuer groß ist:

Es ist ‚normal‘, die falschen Laufbahnentscheidungen zu treffen. Es ist ‚normal‘, zu versuchen, es zu vielen Leuten recht zu machen. Es ist ‚normal‘, das falsche Leben zu leben. Es ist ‚normal‘, unter einer unerträglichen Situation zu leiden. All das und noch viel mehr gehört so sehr zu einem ‚normalen‘ menschlichen Leben, dass wir auch diesen Begriff am liebsten gar nicht benutzen – wohl wissend, wie wichtig es manchmal für uns als Abenteuerreisende der Veränderung sein kann, von einer Autorität dahingehend beruhigt zu werden, dass wir kein völliges Rad ab haben. Denn besonders zu Beginn unserer Expedition zweifeln wir an uns.

Coaching ist keine Beratung

Auch hier werden einige wohlmeinende nicht-direktive Psychologen vielleicht aufmucken, aber die Wirksamkeit von psychologischer Beratung speist sich essenziell aus dem projektiven Vertrauen in eine wissenschaftlich fundierte Diagnostik (mit Zahlen und Skalen usw.). Und in das lebenskluge Expertentum von jemand, der es schließlich studiert hat – wie die vielen Bücher im Regal hinter ihm und die gerahmten Diplome an der Wand es ja bezeugen. Beratung ist also prinzipiell professionelle Besserwisserei (übrigens hätte kein Jurist ein Problem damit, dies zu bekennen). 

Coaching, wie wir es verstehen

Coaching ist mehr als Zielerreichung

Coaching, so wie wir es verstehen, ist professionelle Hilfe in der Bewältigung und der Gestaltung von Veränderungsprozessen, deren Ziel und Fokus es ist, dem ‚Coachee‘ neue Freiheitsgrade in seinem bzw. ihrem Verhalten in Situationen zu ermöglichen, die von kriteriellem Wert sind für die Rolle, die der Coachee innehat.

 

Es beinhaltet immer einen Dialog zwischen Person und Rolle: eine Rolle erwerben, eine Rolle meistern, evtl. eine Rolle hinter sich lassen und eine neue finden und definieren. Freiheit ist etwas anderes als Zielerreichung.

 

Freiheit ist größer, grundsätzlicher und nachhaltiger.

Eine Erweiterung der Freiheitsgrade als Person versetzt Menschen in die Lage, souveräner, authentischer und wirksamer mit sich, ihren Rollen und ihrem Umfeld umzugehen – und mit eigenen und fremden Zielen. Sie zu erlangen, setzt in der Regel eine tiefere persönliche Auseinandersetzung voraus, als eine Absicht zu klären und der dann nachzugehen: Abschied nehmen von überkommenen Denkgewohnheiten, Zwängen und Loyalitäten, Bewusstmachung von Glaubenssystemen, sich neue Erlaubnisse geben usw. 

 

Also eine tätige, lebendige Auseinandersetzung. Entfaltung im besten Sinne.

Coaching ist professionelle Prozessbegleitung

Coaching als professionelle Prozessbegleitung beginnt mit der Anerkennung des Coaches, dass die schwerste seelische Arbeit eigentlich schon geleistet ist – indem der Coachee:

  • von der ersten Wahrnehmung einer ‚Störung‘,
  • über die Umbewertung, dass diese Störung nicht einfach weggeht, wenn er sie nur als Störung behandelt,
  • über die Ahnung, dass man selbst etwas tun kann und muss,
  • schließlich dahin gelangt, dass er dabei gut Hilfe gebrauchen kann.

 

Coaching begleitet und unterstützt den weiteren Prozess von hier aus: Es hilft, Sinn und Bedeutung der Herausforderung herauszuschälen und zu verstehen, vor die der Coachee gestellt ist. Es hilft dann, die inneren Freiräume auszubauen und auszuloten, die es braucht, damit der Coachee schöpferisch und mutig auf seine Herausforderungen antworten kann.

 

Es hilft schließlich dabei, konkrete Handlungsoptionen in Hinsicht auf ihre Auswirkungen auf systemisch Betroffene und ihre Rückwirkungen auf den Coachee zu sortieren und zu beurteilen. Und dann entlässt es, während der Coach alle zur Verfügung stehenden Daumen drückt, den Coachee zurück in seine systemische Welt, um all das ins ‚richtige‘ Leben zu bringen, was er oder sie auf der inneren Abenteuerreise an Schätzen entdeckt und geborgen hat.

 

Die ersten und die letzten Schritte auf dieser Reise (analog zur großen Reise durch das Leben selbst) geht jeder allein – so ist das Leben nun mal, und das ist wahrscheinlich gut so. Für den Weg über die Stationen der Reise zwischen den ersten und den letzten Schritten gibt es mit ein bisschen Glück, und wenn man es will, die kundige Begleitung durch einen erfahrenen Kenner des Terrains: den Coach.

Dieser Text ist ein Auszug aus der Buchreihe "Transformatives Coaching und Mentoring".


Person und Rolle im transformativen Coaching

Rainer Molzahn

 

Leiter der Coaching-Ausbildung, Leadership-Coach und Autor

 

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