Ein Plädoyer für die Rolle

von Katja Hiller


Plädoyer für die Rolle

Person und Rolle – ein großes Thema während unserer Coachingausbildung.

 

Was zieht mich in der Rolle als Coach an? Welche persönlichen Stärken nutze ich? Oder worin sehe ich meine größte Herausforderung in der Rolle? So oder so ähnlich reflektiere ich meine Rolle als Coach fortwährend. Ich hinterfrage, revidiere, probiere aus und bin mutig – immer auch im Duett mit meinem Coachee.

 

Soweit so gut? Dachte ich, war überzeugt. Und dann passierte es!


Eine Diskussion ...

Rolle und Person, das ist ein Konstrukt, keine Realität. Niemand ist jemand anders in einer anderen Rolle, es ist immer noch dieselbe Person.“, hörte ich meinen Gegenüber sagen.

 

Interessant und doch bin ich so gar nicht einverstanden. „Agierst Du nicht anders als Mitarbeiter im Büro, kommunizierst anders als wenn Du privat unterwegs bist?“, frage ich. „Spielst du nicht eine andere Rolle als Kind deiner Eltern als gegenüber deinem eigenem Kind, gibt es nicht andere Regeln?“ – „Nein und ja“…

 

Aha, ich bin irritiert, wie unterschiedlich Wahrnehmung und Interpretation sein können. Und so sehr ich auch mit mir hadere, einen Unterschied zwischen Person und Rolle zu negieren, so stelle ich doch fest, dass es ein einfaches Schwarz und Weiß auch nicht gibt. 

Machen wir ein Gedankenspiel

Angenommen, mein Gegenüber hat Recht. Mal angenommen, die Rolle als solche gibt es gar nicht, sondern nur die Person – kontextunabhängig. Was bedeutet das für die Rolle? Bliebe noch Rolle und wenn ja, wie viel?

 

Beispiel: Person XY arbeitet in einer Organisation in leitender Position. Stellenbeschreibung, eine hierarchische Einordnung und Unternehmenskultur definieren die Spielregeln, der die „Arbeitsrolle“ der Person XY unterworfen ist. Person XY agiert ausschließlich als Person, hält sich nicht an übliche Verhaltensmuster, füllt die Rolle nicht aus, nimmt Führungsaufgaben nicht wahr, delegiert nicht, trifft keine Entscheidungen. Es entsteht eine zumindest herausfordernde Situation für die Organisation, vielleicht existiert ein Vakuum, andere beginnen, die Rolle zu übernehmen, anstatt ihre zu „spielen“.

 

Verheerender wird es wohl noch bei familiären Systemen: Die Mutter, die nicht Mutter sein will oder kann, die nicht Verantwortung übernimmt, keinen Schutz bietet, sich nicht sorgt oder gar ignorant gegenüber ihren Kindern agiert – weil sie so ist, wie sie ist?!

 

Was heißt das für das System, in dem die Rolle vorgesehen ist? Und wie viel Rolle bleibt da, ganz faktisch, ganz real und nicht nur per Definition? Leider wohl keine, so lautet die traurige Antwort.

 

Wenn Personen sich nur noch durch sich selbst definieren, ihre Rolle nicht ausfüllen und Person die Rolle „auffrisst“, dann wird die vorgesehene Rolle zum Konstrukt. Und mit großer Wahrscheinlichkeit wird jemand anderes irgendwann die Rolle irgendwie spielen „müssen“.

 

Entscheidend im Wirken nach außen ist demnach nicht die Frage nach der Existenz von Rollen, sondern wie wir unsere verschiedenen Rollen ausfüllen.

Was bedeutet das fürs Coaching?

Ein Label zu haben ist ganz einfach – es steht auf irgendeiner Visitenkarte oder im Folder einer E-Mail. Vielleicht sogar auf einem messingfarbenen Türschild. Das ist toll, streichelt das Ego und ist doch ungenügend.

 

„Ich in der Rolle als Coach“: das bedeutet, meine Ungeduld, meinen Egoismus und meine Wut beiseite zu lassen. Das wohnt jedem inne und ist menschlich. Es darf sein und doch wieder nicht, wenn ich in meiner Rolle wirksam werden will.

 

Als Coach bin ich dazu aufgerufen, mit allen mitfühlenden Facetten, mit allem Respekt und mit voller Akzeptanz für die Vielfalt der Geschichten und Empfindungen in Kontakt mit meinem Mitmenschen zu gehen.

 

Um professionell  zu begleiten und einen Unterschied für den Coachee zu machen, ist es wesentlich, sich Bedeutung und Wechselspiel von Person und Rolle immer wieder vor Augen zu führen. 


Plädoyer für die Rolle

Katja Hiller

 

freiberufliche Beraterin und Coach, Personalentwicklerin bei der IHK

 

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